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28. Juli 2025 | 07:00 Uhr
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Streit um "stambulant" und einen dritten Versorgungssektor

Das Pflegekompetenzgesetz soll den Heilberufen mehr Verantwortung übertragen. Darüber sind sich auch alle einig. Doch der ehemalige Gesundheitsminister hatte seinen Gesetzentwurf um einige Punkte ergänzt, die damit eigentlich nichts zu tun haben. Etwa einen dritten Versorgungssektor in der Pflege, die sogenannte "stambulante" Versorgung. Dagegen hat auch niemand etwas, als eigener Sektor ist die Wohnform von Benevit-Chef Kaspar Pfister (Foto) aber heftig umstritten. Nun liegt der fast unveränderte Gesetzentwurf wieder auf dem Tisch – mit dem alten Streit.

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Das stambulante Modell von Benevit-Chef Kaspar Pfister spaltet die Branche

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Konkret geht es um die Einführung eines dritten Versorgungssektors, sozusagen einer Mischung aus stationärem Pflegeheim und ambulanter Betreuung. Eine dieser kombinierten Formen hat der Pflegeunternehmer Kaspar Pfister, Chef des Betreibers Benevit, erfunden. Er nannte sie die "stambulante" Versorgung. Das sind von Pflegekräften betreute Wohngruppen, in denen Pflegebedürftige und Angehörige mit anpacken können. Pfister hat eines seiner Heime umgebaut und betreibt dieses stambulante System seit Jahren erfolgreich als Modellprojekt. Ebenso lange kämpft er für dessen offizielle Anerkennung als Dauerlösung.

Der vorherige Gesundheitsminister Karl Lauterbach zeigte sich beeindruckt und schrieb in seinen Entwurf zum Pflegekompetenzgesetz die Anerkennung eines stambulanten Modells als dritten Versorgungssektor. Zur Verabschiedung im Bundestag kam es aber nicht mehr. Jetzt will seine Nachfolgerin Nina Warken schnell Gesetze auf den Weg bringen, unter anderem das Pflegekompetenzgesetz ihres Vorgängers – zusammen mit dem dritten Versorgungssektor.

Abgesehen vom Expertenstreit sehen Insider in der möglichen Schaffung eines dritten Sektors mit dem Pflegekompetenzgesetz auch einen Vorgriff auf die Arbeit der Bund-Länder-Gruppe. Die soll nämlich explizit auch Vorschläge zur "Stärkung der sektorübergreifenden pflegerischen Versorgung und Übernahme von Modellprojekten (wie zum Beispiel 'stambulant') in die Regelversorgung" erarbeiten, heißt es im Koalitionsvertrag. Das wäre dann überflüssig.

Sektoren aufheben statt neue schaffen

Gegen einen dritten Versorgungssektor gab es schon früher breiten Widerstand. In der Kritik steht dabei nicht das stambulante Modell, wohl aber ein neuer Versorgungssektor. "Hier kommen sowohl auf die Träger als auch auf die Pflegebedürftigen bürokratische Herausforderungen zu", sagt etwa Barbara Dietrich-Schleicher, Vorsitzende des Verbands katholische Altenhilfe. "Anstatt neue Modelle einzuführen, sollten bestehende Lösungen, wie die ambulant betreuten Wohngruppen oder das regional verhandelte Modell der Hausgemeinschaft, gestärkt werden."

Auch der paritätische Gesamtverband lehnt den dritten Sektor kategorisch ab, unterstützt aber "uneingeschränkt", neue innovative Wohnformen zu erproben und einzuführen. Insgesamt müsse es dabei aus Sicht der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege "um eine Überwindung der Sektorengrenzen gehen, nicht um die Schaffung eines neuen Sektors". Die Stiftung Patientenschutz sieht in einem dritten Sektor neue Abgrenzungsschwierigkeiten, die "nur die Unsicherheiten der Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen" verstärken.

Nachteile für WG-Landschaft befürchtet

Problematisch sieht auch der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (BPA) die geplante Schaffung eines dritten Sektors. "Das Stambulant-Modell ist eine regionale Inselidee und keine Hilfe bei der Lösung der Versorgungsprobleme", so BPA-Präsident Bernd Meurer. Schon in den Anhörungen zum Gesetz sei vor allem vor Gefahren für die wertvolle WG-Landschaft in der Pflege gewarnt worden. "Nun werden die Vorschläge unreflektiert wieder aus der Schublade geholt", kritisiert Meurer.

Tatsächlich war Benvit-Chef Pfister mit einigen Unterstützern gerade bei der neuen Bundesgesundheitsministerin zu Gast, um für seinen stambulante Weg zu werben. Ministerin Warken sicherte zu, dass das Bundesgesundheitsministerium mit Hochdruck an einem Gesetzentwurf arbeite und diesen bis zum Herbst in das Bundeskabinett und das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren einbringen wolle. "Darin sollen Projekte, wie das stambulante Konzept eine rechtliche Grundlage erhalten", schreibt Pfister in einer Pressemitteilung.

Streit eskaliert mit persönlichen Anschuldigungen

Den Gegenwind für einen dritten Sektor will er nicht akzeptieren und wirft insbesondere BPA-Präsident Meurer "Fake-News" vor. Dass sich Kassen, Leistungserbringer und Wissenschaft gegen einen stambulanten Sektor ausgesprochen hätten, sei eine "Falschaussage". Meurer gehe es "nur darum geht, seinen Besitzstand zu wahren und zukunftsfähige, neue Konzepte zu verhindern", wirft Pfister ihm vor.

Der BPA nimmt's gelassen und sieht seine Position im Einklang mit der vieler anderer Organisationen und Experten aus allen Bereichen. "Wir kommentieren als Bundesverband die beabsichtigte Gesetzgebung, nicht ein bestehendes regionales Inselprojekt", sagt BPA-Hauptgeschäftsführer Norbert Grote. "Die im Pflegekompetenzgesetz geplanten Regelungen haben alle namhaften Akteure in der damaligen Anhörung abgelehnt. Das ist für jeden auf den Webseiten des Bundesgesundheitsministeriums nachzulesen."

Thomas Hartung

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