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16. März 2025 | 08:51 Uhr
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So könnte der große Wurf für eine Pflegereform aussehen

"Wir wollen, dass das Versprechen einer großen Pflegereform endlich eingelöst wird", sagt Bernhard Schneider (Foto), Chef der Evangelischen Heimstiftung und Sprecher der Initiative Pflegereform, die einen neuen Vorschlag dafür macht. Die Pflegeversicherung müsse "einen Geburtsfehler hinter sich lassen" und die Trennung zwischen ambulanter und stationärer Pflege aufheben. Ziel ist außerdem, den Anstieg der Eigenanteile zu stoppen. Die Vorschläge gehen ans Eingemachte, "weg vom Klein-Klein".

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Bernhard Schneider und die Initiative Pflegereform legt der neuen Bundesregierung eine Blaupause für den überfälligen Umbau der Pflege vor

"Die Pflegeversicherung laviert am Rand der Zahlungsunfähigkeit, die Eigenanteile im Pflegeheim werden unbezahlbar, es fehlen Pflegeheimplätze und -angebote für die Versorgung zu Hause. Die Pflegebranche ächzt unter den Bürokratielasten", fasst die Initiative Pflegereform die aktuelle Situation zusammen. "Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat die Pflege links liegen lassen", sagt Schneider.

Mit der neuen Regierung keimt neue Hoffnung. "Die zukünftigen Koalitionäre versprechen eine große Pflegereform. Und wir liefern heute die Blaupause dafür", so Schneider auf einer Pressekonferenz am Freitag. Auf knapp 100 Seiten stellt die Initiative ein Gesamtkonzept zu einer "Alternativen Ausgestaltung der Pflegeversicherung" vor. Hinter der Initiative stehen 120 Pflegeunternehmen, die rund 1.000 Pflegeheime und 300 Pflegedienste betreiben, sowie über 60 Verbände und Organisationen. Das Gutachten stammt aus der Feder des renommierten Pflegeprofessors Heinz Rothgang.

2026, Reformstufe 1: Eigenanteile stationär versorgter Pflegebedürftiger begrenzen

Im ersten Schritt der Reform der Pflegeversicherung sollen die Eigenanteile der stationär versorgten Pflegebedürftigen reduziert und in ihrer Höhe absolut begrenzt werden. Dies geschieht durch den sogenannten Sockel-Spitze-Tausch. Das bedeutet, dass die heutige Regelung – ein fester Zuschuss durch die Pflegeversicherung und alles, was darüber hinausgeht, zahlt der Pflegebedürftige – umgekehrt wird. Der Pflegebedürftige zahlt einen festen Eigenanteil, alles darüber hinaus übernimmt die Pflegeversicherung. Dies gilt allerdings nur für die reinen Pflege- und Betreuungskosten, nicht für Unterbringung oder Essen.

Das Gutachten schlägt einen Eigenanteil für die reinen Pflege- und Betreuungskosten von maximal 700 Euro pro Monat für drei Jahre vor. Konkret sollen die Pflegebedürftigen 25 Prozent der individuellen Pflegekosten selbst tragen.

Außerdem sieht der Reformvorschlag vor, die Kosten für die Ausbildung aus dem Eigenanteil herauszunehmen und von der Versichertengemeinschaft finanzieren zu lassen. Schließlich soll die Pflegeversicherung nicht mehr für die medizinische Behandlungspflege aufkommen. Sie soll aus den Pflegesätzen herausgenommen und von der Krankenversicherung finanziert werden.

2028, Reformstufe 2: Bedarfsgerechte Leistungen, auch ambulant

Eine "ziemliche Dunkelkammer" nennt Rothgang den Umgang mit dem Pflegegeld für ambulante Leistungen. Das soll die Reform ändern. Geplant ist ein Leistungskatalog mit Preisschildern für einzelne Pflege- und Betreuungsmodule. Dabei soll der Ort der Leistungserbringung keine Rolle spielen. Maßstab für diese Preisliste sind die pflegebedingten Kosten im stationären Bereich, die einer bedarfsdeckenden Versorgung entsprechen.

Neu ist auch, dass nicht mehr der Pflegebedürftige das Geld erhält, sondern der Leistungserbringer. Damit wird sichergestellt, dass mit dem Pflegegeld keine anderen Ausgaben finanziert werden. Außerdem soll es keine Rolle spielen, wer die Leistung erbringt. Das kann ein ambulanter Pflegedienst sein, aber auch ein Angehöriger oder Nachbar, der sich dazu verpflichtet.

Welche Leistungen abgedeckt werden, soll individuell festgelegt werden. Der Eigenanteil von 25 Prozent wird auch für ambulante Sachleistungen und Pflegeleistungen nach dem Leistungskatalog fällig.

2030, Reformstufe 3: Aufhebung der Sektoren in der Pflege

Die letzte Reformstufe bedeutet das Ende der Trennung von ambulanter und stationärer Pflege. An ihre Stelle tritt die Einteilung in Pflege und Wohnen. Damit soll der Rahmen für die Entwicklung innovativer Wohn- und Pflegeformen geschaffen werden. Und so würden auch finanzielle Anreize für die Laienpflege in allen Wohnformen geschaffen, so die Autoren des Gutachtens.

Für diesen letzten Schritt sei eine Harmonisierung des Ordnungsrechts notwendig. Das sei nicht einfach, räumte Rothgang ein. Denn es gehe nicht nur um die beiden Sozialgesetzbücher SGB V und XI. Auch die Leistungskataloge der Länder müssten vereinheitlicht werden.

Stabiler Beitragssatz durch Finanzausgleich mit Privaten und anderen Maßnahmen

Der Reformvorschlag verursacht höhere Kosten. Ohne Refinanzierungsmaßnahmen müsste der Beitragssatz bis 2060 um weitere 2,2 Prozentpunkte steigen. Das Gutachten macht daher auch Vorschläge für die Einnahmeseite, um die Pflegeversicherung in Zukunft solide aufzustellen. Bei Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen könnte der Beitragssatz sogar um 0,7 Prozentpunkte sinken, so das Gutachten.

An erster Stelle steht dabei die Forderung, die Kosten für die soziale Absicherung privater Pflegepersonen aus Steuermitteln zu finanzieren. Darüber hinaus schlagen die Autoren vor, die Beitragsbemessungsgrenze anzuheben und die Beitragspflicht auf weitere Einkommensarten auszudehnen. Auch ein Finanzausgleich zwischen privaten und gesetzlichen Pflegekassen ist geplant. Ein Steuerzuschuss an die gesetzliche Pflegeversicherung in Höhe von zehn Prozent der jeweiligen Jahresausgaben soll die Einnahmen ergänzen.

Thomas Hartung

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