Pflegebevollmächtigte zeigt im Interview klare Kante
Schon nach wenigen Wochen im Amt zeigt sich: Hände schütteln, Grußworte sprechen – das reicht der Pflegebevollmächtigten Katrin Staffler (Foto) nicht. Die CSU-Politikerin mischt sich ein. So hat sie gerade Finanzminister Klingbeil (SPD) ermahnt, mehr Geld für die Pflegeversicherung einzuplanen. Im Interview mit Care vor9 erklärt sie, warum sie es als ihre Aufgabe sieht, sich politisch stark zu äußern.

Katrin Staffler/Tim Süllwold
"An der einen oder anderen Stelle" werde es bei der Pflegereform wohl auch mal eine unpopuläre Entscheidung geben, meint Katrin Staffler
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Es fällt auf, dass Sie sich als Pflegebevollmächtigte politisch äußern und deutlich mehr Stellung beziehen als Ihre Vorgängerin Claudia Moll. Sie haben kürzlich beispielsweise den Gesundheitsministern vor der GMK mit auf den Weg gegeben, in der Pflege die Rolle der Kommunen zu stärken und sich auch zur Finanzierung der Pflegeversicherung geäußert...
Ja, es stimmt: Ich beziehe Stellung zu aktuellen pflegepolitischen Themen. Das ist ja meine Aufgabe. Jeder hat eine andere Art und Weise, wie er sein Amt ausfüllt und interpretiert. Ich sehe mich aber tatsächlich als politische Interessensvertreterin der Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen. Deshalb habe ich den festen Willen, die politische Arbeit dahingehend zu beeinflussen, dass deren Interessen nicht nur im politischen Umfeld gehört werden, sondern nach Möglichkeit auch in die Gesetzgebung einfließen. Dafür muss ich mich politisch stark äußern und in die Debatte einmischen. Und genau das mache ich.
Und wie viel Einfluss haben Sie dann letztlich? Wie sind Sie hier im Gesundheitsministerium formal eingebunden?
Ich muss in alle Gesetzgebungsverfahren, die in irgendeiner Art und Weise mit Pflege zu tun haben, eingebunden werden. Und das nehme ich auch sehr ernst: Ich bin im stetigen Austausch nicht nur mit der Gesundheitsministerin, sondern natürlich auch mit den anderen Ressorts, die ebenfalls beteiligt sind, zum Beispiel das Arbeitsministerium, wenn es um die sogenannten "24-Stunden-Kräfte" geht oder das Familienministerium, wenn es um die Pflegeausbildung geht. Die spreche ich aktiv an, um unsere Themen in die Gesetzgebungsarbeit einzuspeisen.
Sie haben also den Eindruck, dass Sie Einfluss nehmen können?
Ja, den Eindruck habe ich schon. Mit der Gesundheitsministerin habe ich einen sehr guten und vertrauensvollen Austausch. Ich merke, dass wir, gerade, was die Pflege anbelangt, an einem Strang ziehen. Nina Warken treibt von Beginn ihrer Amtszeit an die notwendigen Reformen mit Nachdruck voran. Da hat sie meine volle Unterstützung – ganz besonders in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, in der ich auch dabei sein darf. Und am Ende bin ich natürlich auch eine gut vernetzte Bundestagsabgeordnete und kann auch hier für pflegerelevante Themen und Gesetzesänderungen werben.
Könnten Sie auch Projekte initiieren?
Selbstverständlich. Mit eigenen Mittel, die genau dafür gedacht sind. Mit denen führen wir unter anderem das Projekt "Gute Arbeitsbedingungen in der Pflege" weiter. Hier werden deutschlandweit Pflegeeinrichtungen mit Blick auf bessere Arbeitsbedingungen gecoached. Oder die Initiative Ein-Step zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation, das ich als Schirmherrin begleite.
Sie haben nach der Auftaktsitzung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland gesagt, dass man erstmal keine Steuermittel und keine Beitragserhöhungen anstreben sollte. Auch ohne Steuermittel – wie soll das klappen? Widersprechen Sie in dem Punkt nicht Ministerin Warken, die immer wieder betont, dass das Darlehen nicht reiche?
Ich bin da ganz bei der Ministerin. Gemeint ist: Wir müssen es schaffen, das System auch ohne andauernde Beitragserhöhungen wieder tragfähig aufzustellen, so dass es langfristig zuverlässig die Versorgung der Menschen sichert. Ein Aspekt ist sicher das Thema Steuermittel. Aus der Pflegeversicherung wurden und werden immer noch viele versicherungsfremde Leistungen gezahlt, wie die Corona-Hilfen oder die Rentenbeiträge für die pflegenden Angehörigen.
Das Corona-Geld muss an die Pflegeversicherung zurückgezahlt werden. Wie und wann genau – das muss man jetzt diskutieren. In diesen Bemühungen hat die Ministerin mich voll an ihrer Seite.
Es werden auch eventuelle Leistungskürzungen diskutiert. Immer wieder fallen in diesem Zusammenhang Leistungen wie etwa der Entlastungsbetrag, Leistungszuschläge, Pflegegeld. Könnten Sie sich Leistungskürzungen vorstellen?
Fakt ist, wir dürfen nicht nur über die finanzielle Ausstattung der Pflegeversicherung sprechen. Wir müssen auch an die strukturellen Reformen ran. Dazu gehören alle auch Fragen zum Leitungsumfang mit auf den Tisch.
Denkverbote darf es dabei nicht geben. Und ich sage auch ganz offen: Es wird uns nicht gelingen, eine grundlegende Reform hinzubekommen, ohne dass wir an der einen oder anderen Stelle vielleicht auch mal eine unpopuläre Entscheidung treffen müssen.
Sie plädieren für innovative Versorgungsformen und ein Aufbrechen der starren Grenze zwischen stationär und ambulant. Was meinen Sie konkret damit, können Sie ein Beispiel geben?
Ich glaube, wir sollten immer die Bedürfnisse und die individuellen Wünsche der pflegebedürftigen Menschen im Blick haben. Jeder hat ein ganz anderes Empfinden dafür, wie er im Fall des Falles, dass er wirklich einmal pflegebedürftig wird, gepflegt werden möchte – wo er wohnen möchte, ob in einer Einrichtung oder zu Hause. Die meisten wollen doch am liebsten zu Hause bleiben, in ihrem gewohnten Umfeld.
Unsere Aufgabe ist es, von politischer Seite aus die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass wir diese individuellen Wünsche weitgehend abbilden können. Die Strukturen sind für die Menschen da und nicht umgekehrt. Manchmal habe ich schon den Eindruck, dass uns bei dieser Aufgabe die Sektorengrenzen und die bislang sehr kleinteiligen Leistungen der Pflegeversicherung im Weg stehen. Hier müssen wir jetzt ran.
Geht es nicht vor allem um die unterschiedlichen Wohnformen?
Ja, jeder sollte doch auch im Alter da wohnen, wo er es möchte. Ich finde nicht, dass wir von politischer Seite aus durch die Hintertür der Leistungsausgestaltung der Pflegeversicherung den Menschen vorschreiben sollten, wie sie im Alter leben und wo sie gepflegt werden. Das muss man denjenigen überlassen, die es betrifft. Momentan ist es noch zu wenig von der Seite der Bedürfnisse gedacht.
Im Moment gibt es noch kaum Mischformen: Die gesetzlichen Regelungen lassen bislang auch wenig Spielraum zu. Es wäre aber sinnvoll, wenn beispielsweise ein Altenheim in einem Dorf zum Zentrum werden könnte für alle möglichen Dienstleistungen. Aber ambulant und stationär und jede einzelne Mischform, wie die Pflege-WGs, haben wir gesetzlich haarscharf geregelt – das hindert in meinen Augen kreative Ideen und Wohnformen. Es wäre sicherlich sinnvoller, einfach die Ergebnisqualität zu definieren und nicht jede Wohnform im Gesetz bis ins kleinste Detail runter zu deklinieren.
In einem Interview haben Sie kürzlich das berüchtigte Katheter-Beispiel genannt: Eine Bewohnerin wird zum Legen eines Katheters in die Notaufnahme eines Krankenhauses gefahren…
...das ist ein Beispiel, das sehr plastisch macht, wie sehr die Regelungen teilweise dem entgegenstehen, was für die Pflegebedürftigen das Beste wäre. Denken wir an eine alte, pflegebedürftige Person, eventuell noch demenziell erkrankt. Für die ist es ein Albtraum, aus der gewohnten Umgebung heraus zu müssen – und dann auch noch in eine Klinik, wo alles fremd ist, sie niemanden kennt. Das führt in der Praxis häufig zu einer Verschlechterung des Zustands.
Gleichzeitig haben wir aber in den Pflegeheimen Pflegekräfte, die durchaus die Kompetenzen haben, einen Katheter zu legen. Hier müssen wir ansetzen und grundlegende Änderungen herbeiführen. Es wäre für die Pflegekräfte in den Einrichtungen ein echter Gewinn, wenn sie ihre Kompetenzen besser nutzen könnten. Das demotiviert unsere gut ausgebildeten und sehr professionell arbeitenden Pflegekräfte doch, wenn sie die Aufgaben, die sie gelernt haben und beherrschen, in der Praxis nicht ausüben dürfen.
Und natürlich ist der Transport in die Klinik auch ein enormer personeller und finanzieller Aufwand. Der muss geplant und organisiert werden. Nicht zuletzt werden auch noch die Notaufnahmen überlastet. Deshalb bin ich auch sehr froh, dass wir jetzt mit dem Pflegekompetenzgesetz einen großen Schritt in diese Richtung gehen.
Trauen die Altenpflegekräfte es sich vielleicht auch nicht zu? Die Ausbildung war vor Einführung der Generalistik noch nicht so medizinnah…
Das tun sie in der Regel schon, denn sie sind gut ausgebildete Fachkräfte. Aber sie dürfen einen Teil ihrer Kompetenzen aktuell nicht einsetzen. Deshalb liegt jetzt das Pflegekompetenzgesetz auf dem Tisch.
Das Interview führte Kirsten Gaede
Zur Person
Katrin Staffler (43) arbeitete nach dem Studium der Biochemie im Klinikum Rechts der Isar in München in der Forschung. Anschließend hat sie in einer Agentur verschiedene Unternehmen aus dem Gesundheitswesen beraten – und dabei, wie sie sagt, viel über Schmerz- und Palliativmedizin gelernt.
2017 ist Staffler als Direktkandidatin für den Wahlkreis Fürstenfeldbruck in den Bundestag gekommen. Seit 2022 ist sie stellvertretende Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag und Sprecherin für Innovation. Im Mai 2025 wurde sie zur Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung ernannt.
Staffler lebt in Türkenfeld im Landkreis Fürstenfeldbruck, wuchs in Günding in der Nähe von Dachau auf, ist verheiratet und hat einen Sohn.