Warum diese Chefin eine attraktive Arbeitgeberin ist
Nur zehn Unternehmen haben dieses Jahr das vom Land in Sachsen-Anhalt ausgeschriebene Landessiegel „Das mitarbeiterorientierte Unternehmen – Hier fühle ich mich wohl“ erhalten. Darunter der Pflegedienst „Hand in Hand, Pflege mit Herz und Verstand“ in Bad Schmiedeberg nordöstlich von Leipzig. Care vor 9 hat Inhaberin Kirsten Lehmann (rechts) gefragt, was sie so erfolgreich macht.

Lutz Schneider
Kirsten Lehmann (r.) mit einer ihrer Mitarbeiterinnen bei der Preisverleihung in Magdeburg
Es fängt damit an, wie Kirsten Lehmann Erfolg definiert: Selbstverständlich möchte die 58-Jährige von ihrem Unternehmen leben können, nicht in die roten Zahlen geraten, aber: Der wirtschaftliche Erfolg steht bei ihr nicht im Mittelpunkt. Sie fühlt sich dem Pflegeberuf tief verbunden, schon mit zehn Jahren wusste sie: Pflege oder Polizei soll es sein. „Glücklicherweise habe ich mich dann für die Pflege entschieden und schon als Schülerin mit 16 Jahren Sonntagsdienste im Krankenhaus übernommen. Nach der Ausbildung habe ich dann in verschiedenen Unternehmen gearbeitet. Und ich muss sagen: Mir hat nie gefallen, wie viele großen Träger mit ihren Mitarbeitern umgegangen sind. Ich habe mir geschworen, sollte ich irgendwann einen eigenen Pflegedienst haben, werde ich meine Leute gut behandeln.“
"Ich stricke die Touren locker"
Nach einem schweren Reitunfall war es dann so weit: Kirsten Lehmann war körperlich nicht mehr fit genug, um den ganzen Tag Patienten versorgen zu können. Sie gründete ihren eigenen Pflegedienst mit 15 Mitarbeitern und zwei Auszubildenden und begann ihre Vision von einem perfekten Arbeitsplatz umzusetzen. Sie selbst spricht gar nicht von "Vision", sondern verweist auf das Naheliegende: Die Mitarbeiter sollen entspannt arbeiten und sich in ihrem Beruf wohlfühlen. Sprich, sie steht nicht mit der Stoppuhr da, nimmt die Kollegen nicht ins Kreuzverhör, wenn die bei einem Klienten fünf oder zehn Minuten mehr verbracht haben, als die Kassen es vorsehen.
"Ich stricke die Touren locker, meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen nicht von Termin zu Termin hetzen, ihnen bleibt Zeit, sich mit den Klienten zu unterhalten, ein warmes Wort mit ihnen zu wechseln", sagt Frau Lehmann. "Die Pflegekräfte können den Ablauf ihrer Touren auch selbst gestalten und untereinander Klienten tauschen, wenn das ihrer Einschätzung nach besser passen sollte."
Geteilte Dienste sind die absolute Ausnahme
Das Gute: Die Mitarbeiter nutzen die Freiheiten nicht aus. "Wenn sie mal länger als geplant mit einem Klienten zu tun haben, ist das eben so. Am nächsten Tag gleichen sie das dann meistens wieder aus. Dass ich ihnen die Freiheit gebe, weitestgehend selbstbestimmt zu entscheiden, hat den Vorteil, dass sich Pflegekraft und Klient die meiste Zeit wohlfühlen."
Was Kirsten Lehmann sonst noch für die Mitarbeiterzufriedenheit unternimmt? Geteilte Dienste sind die absolute Ausnahme. „Gerade am Wochenende sind die in vielen Pflegediensten üblich. Meine Mitarbeiter arbeiten lieber an zwei Wochenenden im Monat mit überschaubaren Diensten. Wenn man einen gewissen Personalstamm hat, ist das auch gut machbar.“ Außerdem versucht Lehmann Wunschdienste zu berücksichtigen und achtet darauf, dass niemand länger als fünf Tage hintereinander arbeitet, sieben Tage sind absolutes Maximum.
Der Krankenstand ist minimal
Dann sind da noch die vielen Lichtblicke im Arbeitsalltag, für die die geborene Niedersächsin sorgt: ein Obolus zum Geburtstag plus einen Tag frei – bei Nullen wird er verdoppelt –, Zuschuss zum Mobiltelefon, für Mitarbeiter, die ihr eigenes nutzen, kleine Geschenke zu Weihnachten und Ostern. Zur guten Stimmung trägt auch das tägliche gemeinsam organisierte Frühstück bei – und nicht zuletzt, dass die Tür der Chefin immer offensteht. "Die Mitarbeiter können wirklich mit jedem Problem zu mir kommen, egal, ob beruflich der privat. Das steht für mich an erster Stelle, die Zeit nehme ich mir, egal, wie viel Stress ich sonst habe."
Wirtschaftlich betrachtet geht die Rechnung von Kirsten Lehmann letztlich auch auf: Der Krankenstand in ihrem Pflegedienst sei minimal sagt sie, ebenso wie die Fluktuation. Und sollte doch einmal jemand abwandern, so hat sie die Stelle meistens nach drei Monaten wieder neu besetzt. Viel Geld muss sie nicht ausgeben für die Personalsuche – sie kann sich auf die Mundpropaganda ihrer Mitarbeiter verlassen.
Kirsten Gaede